Problematik der Anthelminthika-Resistenzen und mögliche Alternativen zum Anthelminthika-Einsatz Dr. med.vet. Hubertus Hertzberg Institut für Parasitologie, Universität Zürich Anthelminthika-Resistenzen bei Magen-Darm-Rundwürmern Magen-Darmwürmer (MDW) stellen häufige und wirtschaftlich relevante Problem- faktoren in der Schafhaltung dar. Ihre Bekämpfung stützt sich seit mehr als fünf Jahrzehnten nahezu ausschliesslich auf die Anwendung von Anthelminthika (Entwurmungsmittel). Der umfangreiche und langjährige Einsatz dieser Medikamente hat in zahlreichen Ländern zu einer Resistenzproblematik geführt. Die Resistenz wird definiert als eine verminderte Empfindlichkeit von Krankheitserregern gegenüber einer Medikamentendosis, die im Normalfall die überwiegende Mehrheit der Erreger abtöten würde. Die Resistenz von MDW des Schafes gegen die Wirkstoffgruppe der Benzimidazole (z.B. Ovitelmin, Panacur, Systamex, Valbazen) ist derzeit ein weltweit zunehmendes Problem. Aus verschiedenen Ländern Europas liegen entsprechende Meldungen vor, z.B. aus Belgien, England und den Niederlanden, wo in 28%, 47% bzw. 94% der untersuchten Schafherden benzimidazolresistente MDW nach- gewiesen werden konnten. Resistenzen gegen die übrigen Wirkstoffgruppen einschliesslich der makrozyklischen Laktone (Ivermectin, Doramectin) sind in Australien, Südamerika und Südafrika festgestellt worden. Einige der in diesen Ländern isolierten Stämme weisen gegenüber keiner der verfügbaren Wirkstoffgruppen mehr eine ausreichende Empfindlichkeit auf (Multi-Resistenz). Die Gefahr der Resistenzentwicklung besteht vor allem dann, wenn grosse Tierbe- stände häufigen Behandlungen unterzogen werden. Nach einem Anthelminthika- Einsatz fördert der Umtrieb der Tiere auf eine nicht kontaminierte Weidefläche die Selektion resistenter Populationen. Die Entstehung resistenter Parasiten stellt nach heutiger Sicht einen weitgehend irreversiblen Prozess dar. Das bedeutet, dass derartige Parasiten selbst nach langjähriger Nichtanwendung der betreffenden Wirkstoffgruppe weiterhin in den Betrieben vorhanden sind und bei einem Wiedereinsatz des betreffenden Wirkstoffes eine erneute Selektion möglich ist. Ein wesentlicher Faktor für die Ausbreitung von Anthelminthika-Resistenzen dürfte der Neuerwerb von Tieren mit einer resistenten Parasitenpopulation sein. Neu zugekaufte Tiere sollten daher einer anthelminthischen Behandlung (vorzugsweise mit Doramectin oder Ivermectin) unterzogen werden und erst nach einem negativen Kotbefund in die neue Herde integriert werden. In der Schweiz wurde im Jahr 1998 mit systematischen Untersuchungen zum Vorkommen von Benzimidazol-Resistenzen bei MDW von Schafen und Ziegen begonnen. Die Ergebnisse von 109 untersuchten Betrieben weisen auf eine sehr hohe Häufigkeit von Benzimidazol-Resistenzen von über 80% hin.
Weitere wichtige Resultate dieser Studie sind nachfolgend aufgeführt: • Benzimidazole sind die am häufigsten angewandte Anthelminthikagruppe (70%) • 26% der Betriebe wechseln zwischen Benzimidazolen und anderen AM-Gruppen • Im Durchschnitt erfolgen 2 - 4 anthelminthische Behandlungen pro Jahr • 2% der Herden werden nie oder sporadisch, 20% 4 - 12 mal pro Jahr behandelt • Die Behandlungsfrequenz ist positiv mit der Resistenzproblematik in den einzelnen
• Resistenzen wurden vor allem bei der Art Haemonchus contortus beobachtet. Angesichts der bisher vorliegenden Resultate erscheint eine gründliche Neubewertung des Einsatzes von Benzimidazolen in den Schaf- und Ziegenhal- tungsbetrieben in der Schweiz erforderlich. Vor allem für die Milchschafbetriebe ergibt sich die sehr problematische Situation, dass derzeit keine Wirkstoffe aus anderen Anthelminthikagruppen anwendbar sind, da sie entweder nicht (mehr) offiziell registriert sind (Levamisol, Pyrantel) oder bei milchliefernden Tieren nicht angewendet werden dürfen (Doramectin, Ivermectin). Die Abklärung der Resistenzsituation wird allen Betrieben dringend empfohlen, die bisher noch keine entsprechenden Untersuchungen vorgenommen haben. Diese Dienstleistungen werden vom Beratungs- und Gesundheitsdienst für Klein- wiederkäuer (BGK), vom Institut für Parasitologie der Universität Zürich sowie von einigen Privatlabors nach vorheriger Vereinbarung angeboten. Bei Nichtvorliegen einer Benzimidazol-Resistenz sollten diese Abklärungen in ein- bis zweijährigen Abständen wiederholt werden. Bei einer nachgewiesenen Benzimidazol-Resistenz sollte auf den Einsatz dieser Präparate weitestgehend verzichtet werden. Zur Vorbeugung von Anthelminthika-Resistenzen werden folgende Massnahmen empfohlen: • jährlicher Wechsel der Wirkstoffgruppe • Einhalten der Dosierung • weitestgehende Reduktion der Behandlungsfrequenz • Prüfung der Resistenzsituation gegenüber Benzimidazolen • stichprobenartige Prüfung des Behandlungserfolges anhand quantitativer
Kotuntersuchungen (Bestimmung der Eizahl pro Gramm Kot)
• vor dauerhafter oder vorübergehender Neueinstellung von Tieren Behandlung
(vorzugsweise Ivermectin / Doramectin) mit anschliessender Kontrolle.
Alternative Strategien zur Kontrolle von Magen-Darmwürmern Die zunehmende Resistenzproblematik macht die Erarbeitung alternativer Kontrollstrategien dringend erforderlich. Bisher erfolgreich erscheinende Ansätze beinhalten die Nutzung parasitenresistenter Schafrassen und Zuchtlinien, die Entwicklung von Impfstoffen und die biologische Parasitenkontrolle, jedoch ist bisher keine dieser Strategien kommerziell verfügbar.
Die biologische Bekämpfung basiert auf der Verfütterung von Sporen natürlich vorkommender Bodenpilze, die nach der Darmpassage eine Kontrolle der Larven-population im Kot bewirken. Vielversprechende Resultate aus zahlreichen Ländern, die eine dem Anthelminthika-Einsatz vergleichbare Effizienz dieser Massnahme dokumentieren, lassen den Einsatz dieser Bekämpfungsstrategie gegen MDW des Schafes in der nächsten Zukunft aussichtsreich erscheinen.
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