Geistiges Eigentum, Wettbewerb und Entwicklung
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Geistiges Eigentum, Wettbewerb und Entwicklung
Diese Arbeit basiert auf einem Vortrag, der in einem Workshop über Wettbe-werbspolitik im Rahmen eines internationalen Seminars über „Geistiges Eigen-
tum und Entwicklung“ gehalten wurde. Das zweitätige Seminar fand am 2. und 3. Mai 2005 bei der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) in Genf statt. Organisiert wurde es von der WIPO in
Zusammenarbeit mit der UN-Handels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD),
der UN-Organisation für Industrielle Entwicklung (UNIDO), der Weltgesund-heitsorganisation (WHO) und der Welthandelsorganisation (WTO). MARTIN KHOR ist Direktor von Third World Network, Malaysia. Er hat in
Cambridge Volkswirtschaft studiert und ist der Autor mehrerer Bücher und zahl-
reicher Artikel über Handel, Entwicklungs- und Umweltpolitik. Übersetzung: Nicola Liebert Redaktion: Michael Frein
Herausgeber: Evangelischer Entwicklungsdienst (EED)
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Wettbewerb und das öffentliche Interesse 3. Das verschobene Gleichgewicht
geistigem Eigentum und Entwicklung 4. Die Situation in Entwicklungsländern
Rechten an geistigem Eigentum auf Wettbewerb und Gemeinwohl 6. Vorrang für Wettbewerb vor Rechten
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Diese Broschüre befasst sich mit einigen der Probleme, die sich in Zusammen-hang mit geistigem Eigentum, mit der Wettbewerbssituation, mit dem öffentli-
chen Interesse und entwicklungspolitischen Anforderungen ergeben. Sie stellt den Zusammenhang zwischen Rechten an geistigem Eigentum, Mono-
polen und Wettbewerb sowie dem öffentlichen Interesse her (Kapitel 2) und die
Verschiebung des Gleichgewichts zu Gunsten der Inhaber der Schutzrechte (Ka-
pitel 3), bevor sie sich den speziellen Problemen der Entwicklungsländer zuwen-det (Kapitel 4). Einige Beispiele für die Auswirkungen geistiger Eigentumsrechte auf Wettbewerb und Entwicklung finden sich in Kapitel 5. Kapitel 6 stellt politische Strategien dar, wie dem Wettbewerbsgrundsatz wieder
Vorrang gegenüber dem Schutz geistigen Eigentums eingeräumt werden kann. Eine knappe Zusammenfassung findet sich in Kapitel 7.
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2. Rechte an geistigem Eigentum, Wettbewerb und das öffentliche Interesse
Zwischen Rechten an geistigem Eigentum auf der einen Seite und Wettbewerb
auf der anderen besteht eine inhärente Spannung. In einer Marktwirtschaft wird Wettbewerb als sehr wichtig eingeschätzt – ja als entscheidend, um Marktverzer-
rungen zu vermeiden, die effiziente Nutzung von Ressourcen zu fördern, die Ent-
stehung von Monopolen oder Oligopolen zu verhindern, die Preise auf möglichst
niedrigem Niveau zu halten, überhöhte oder monopolistische Gewinne zu ver-hindern und generell die Interessen der Verbraucher und des Gemeinwohls zu
schützen. Geistige Eigentumsrechte werden gemeinhin als ein Privileg begriffen, das dem Erfinder oder Erschaffer eines Werks als Kompensation für seine Forschungs-
und Entwicklungsaufwendungen gewährt wird. Auf diese Weise soll ein Anreiz für weitere Innovationen entstehen. Geistige Eigentumsrechte beinhalten also ein
exklusives Verwertungsrecht für einen befristeten Zeitraum, durch das der Inha-
ber der Schutzrechte einen höheren Preis für sein Produkt erzielen kann, als es in
einer Wettbewerbssituation möglich wäre. Dieser höhere Preis aber schränkt den Zugang der Verbraucher zu dem Produkt beziehungsweise den Zugang anderer
Hersteller zu Vorleistungen oder Produktionsverfahren ein. Das dem Inhaber der geistigen Eigentumsrechte gewährte Monopol verhindert oder beschränkt während seiner Laufzeit den Wettbewerb. Denn Konkurrenten,
die ein vergleichbares Produkt zu einem niedrigeren Preis auf den Markt bringen könnten, werden daran gehindert. Dieser Effekt wird jedoch oft nur als kurzfristi-
ger Kostenfaktor begriffen (weil ja das exklusive Verwertungsrecht nur für befris-
tete Zeit gilt), der angeblich durch die langfristigen Vorteile aufgewogen wird, die
die durch geistige Eigentumsrechte angeregten Innovationen mit sich bringen. Die Commission on Intellectual Property Rights (CIPR 2002, S. 15) merkt dazu
an: „Die optimale Stufe des Schutzes (auf der der gesellschaftliche Nutzen über den gesellschaftlichen Kosten liegt) wird je nach Produkt und Wirtschaftssektor unterschiedlich hoch sein und von Schwankungen der Nachfrage, Marktstruktu-
ren, der Höhe der Forschungs- und Entwicklungskosten und der Art der Innova-tion abhängen. In der Praxis können geistige Eigentumsrechte daher nicht exakt zugeschnitten werden, und deshalb ist das gewählte Schutzniveau zwangsläufig
ein Kompromiss. Einen falschen Kompromiss auszuhandeln – gleichgültig, ob es
sich dabei um ein zu hohes oder zu niedriges Schutzniveau handelt – kann für die Gesellschaft sehr kostspielig werden, insbesondere auf lange Sicht.“ Es muss also ein Gleichgewicht gefunden werden zwischen den Monopolrechten, die Patentinhabern gewährt werden, und dem öffentlichen Interesse – inklusive
der Interessen der Verbraucher, der Wettbewerber und der nationalen Entwick-lung. Um die richtige Balance zu finden, muss die Politik sicherstellen, dass geis-
tige Eigentumsrechte aus den richtigen Gründen den richtigen Personen gewährt
werden, dass die Laufzeit angemessen ist und dass das öffentliche Interesse wenn nötig durch flexible Handhabung und Ausnahmeregelungen geschützt werden
kann. Wenn die Waage stark zu Gunsten des Inhabers von Rechten an geistigem Eigen-
tum geneigt ist, dann fließen ihm dadurch Monopolgewinne zu, die über das hi-
nausgehen, was als Kompensation der durch die Innovation entstandenen Kosten
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gerechtfertigt wäre. Die Gesellschaft muss in diesem Fall unverhältnismäßig hohe
Kosten tragen. Dazu gehören beispielsweise der eingeschränkte Zugang zu Waren und Dienstleistungen (einschließlich lebenswichtiger Dinge wie Medikamente, Lebensmittel, Informationen und wichtiger Vorleistungen für Produktionspro-
zesse), die Behinderung der industriellen Entwicklung, die Einschränkung des
Wettbewerbs und der effizienten Ressourcenallokation sowie die Entstehung von Monopolen für einzelne Produkte, in ganzen Branchen oder sogar in der gesam-
ten Volkswirtschaft. Besonders für Entwicklungsländer ist es daher sehr wichtig, dass die Standards zum Schutz von Rechten an geistigem Eigentum angemessen sind, dass es Aus-
nahmeregelungen und Spielräume bei der Anwendung gibt. Außerdem muss das System so ausgestaltet sein, dass geistige Eigentumsrechte den richtigen Leuten
für die richtigen Erfindungen gewährt werden, und es muss ein rechtliches Re-
gelwerk geben, mit dem der Missbrauch von Schutzrechten verhindert werden
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3. Das verschobene Gleichgewicht zwischen geistigem Eigentum und Entwicklung
Eine vernünftig gestaltete Politik zum Schutz von Rechten an geistigem Eigen-
tum, die sich am öffentlichen Interesse und den entwicklungspolitischen Erfor-dernissen orientiert und die für einen Interessenausgleich sorgt, hat eindeutige
Vorteile für die Volkswirtschaft als Ganze. Wenn die Politik jedoch unsachgemäß
ist und kein Gleichgewicht zwischen verschiedenen Interessen herzustellen ver-
mag, können geistige Eigentumsrechte äußerst negative Folgen für Wettbewerb, Gemeinwohl und Entwicklung haben. Das WTO-Abkommen über handelsbezogene Aspekte geistiger Eigentumsrechte (TRIPS) hat die politischen Spielräume der Mitgliedsstaaten in dieser Hinsicht
stark eingeschränkt. Zum Beispiel schreibt das Abkommen die Gleichbehandlung
von ausländischen und inländischen Patenten und Patentanmeldern vor. Patente
müssen demnach auch nicht nur für Produkte, sondern auch für Verfahren ge-währt werden. Und es darf keine unterschiedlichen Standards für unterschiedli-
che Wirtschaftssektoren geben. Dies hat schwerwiegende Auswirkungen in vielen Entwicklungsländern, die bislang bestimmte Kategorien wie etwa Medikamente, Lebensmittel oder biologische Grundstoffe von der Patentierbarkeit ausgeschlos-
sen hatten. Das TRIPS-Abkommen setzt Mindeststandards für eine breite Palette geistiger Eigentumsrechte, deren Umsetzung zwingend ist. Viele Experten sind zu dem
Schluss gekommen, dass das Abkommen das Gleichgewicht stark zu Gunsten der Rechteinhaber verändert – die zumeist aus den Industrieländern stammen – und
zu Lasten der Verbraucher und Produzenten in Entwicklungsländern und gene-
rell zu Lasten der Entwicklung. In den vergangenen Jahren hat sich in den großen Industrieländern das Gleich-gewicht noch weiter in Richtung der Inhaber der Schutzrechte verschoben. In den
USA zum Beispiel wurde in den frühen Achtzigerjahren das Berufungsverfahren für patentrechtliche Fälle geändert, so dass nun alle Revisionen vor ein spezielles
Berufungsgericht kommen (Jaffe, Lerner 2004). In den frühen Neunzigern wurde
überdies die Gebührenordnung des US-Patent- und Markenamts so geändert,
dass dieses sich vollständig aus Patentgebühren finanzieren muss. Damit steigt
der Anreiz, möglichst viele Patente zu gewähren. Das Patent-Berufungsgericht legt das Patentgesetz nun so aus, dass die Erlangung
von Patenten erleichtert wird, dass Patente gegenüber Dritten härter durchgesetzt
und hohe Schadenersatzsummen fällig werden und dass es für die, die wegen Pa-
tenverletzung angeklagt werden, schwerer ist, die Gültigkeit eines Patents anzu-
• Die neuen Finanzierungsgrundlagen des Patentamts in Kombination mit
der Auslegung des Patentgesetzes durch das Patent-Berufungsgericht macht es viel einfacher, Patente zu erlangen. Es werden selbst Patente auf
Erfindungen erteilt, die offensichtlich und trivial erscheinen, etwa die Art
der Herstellung einer bestimmten Sandwich-Sorte oder eine Methode des Schaukelns auf einer Schaukel.
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• Patente sind in den Händen von Unternehmen zu Waffen zur Bekämp-
• Patente haben es Unternehmen ermöglicht, riesige Schadenersatzforde-
rungen einzutreiben und Konkurrenten in den Ruin zu treiben.
• Die Patenterteilung wird auf neue Gebiete ausgedehnt, darunter auch an-
gebliche Entdeckungen längst bekannter Verfahren wie beispielsweise ein
Patent auf zuvor schon geläufige Preisberechnungsmodelle für Options-
scheine (Jaffe, Lerner 2004, S. 2-3). Während so einige Innovatoren oder
Erfinder durch Patente belohnt werden, werden die Aktivitäten vieler Wettbewerber behindert oder sogar gestoppt – inklusive ihrer potenziellen
Die Politik der Industrieländer in Bezug auf geistige Eigentumsrechte wurde
durch internationale Harmonisierung und Verträge in den Rest der Welt expor-
tiert. Das TRIPS-Abkommen ist das beste Beispiel dafür. Das Abkommen wurde
wesentlich durch die Vertreter bestimmter Industrien des Nordens initiiert und teilweise sogar formuliert. Diesen ist es gelungen, ihre jeweiligen Regierungen
dafür einzuspannen, ihre Interessen erfolgreich in der Uruguay-Runde zu vertre-ten, die 1995 zur Gründung der WTO führte, und den anfänglich starken Wider-stand vieler Entwicklungsländer zu brechen. (Dies ist gut dokumentiert z.B. in
Raghavan 1990, Dahos 2003 und Sell 2003.) Die WIPO dient ebenfalls als Forum für die Harmonisierung internationalen Pa-tentrechts, beispielsweise durch ihren Urheberrechtsvertrag von 1996. Die derzei-
tigen Verhandlungen über mögliche neue Verträge zu Patenten und Rundfunkübertragungsrechten sind weitere Beispiele. Die WIPO ist in der Tat zu
einem wichtigeren Forum für neue Verträge über die Harmonisierung der geisti-
gen Eigentumsrechte geworden als die WTO. Wenn die Harmonisierungsverhandlungen weiter so verlaufen, wie es die Indust-
rieländer im Prozess der Angleichung von materiell-rechtlichen Patentfragen
(besser bekannt als Substantive Patent Law Treaty) durchgesetzt haben, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sich der Rest der Welt bald an die Entwicklungen in den großen Wirtschaftsnationen anpassen muss – etwa die Lockerung der Krite-
rien für Patentierbarkeit und die stark erleichtere Patenterteilung. Damit besteht vielen Experten zufolge die Gefahr, dass ein dysfunktionales System in Entwick-lungsländern verbreitet wird. Bilaterale und regionale Abkommen zwischen Industrie- und Entwicklungslän-
dern sind weitere Kanäle, durch die neuere Entwicklungen in den Patentsystemen des Nordens auf den Süden übertragen werden. Viele dieser Übereinkommen
enthalten Bestimmungen, die über TRIPS hinausgehen. Die Vertragsparteien müssen dadurch Verpflichtungen eingehen, die ihre Politikoptionen stark ein-
schränken. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Vorschriften über Zwangsli-
zenzierung, die noch restriktiver als unter dem TRIPS-Abkommen sind. Oder die Unterzeichner werden genötigt, einer Vereinbarung zuzustimmen, nach der Er-gebnisse von Medikamententests nicht weiter benutzt werden dürfen, so dass de-
ren Verwendung im Rahmen von Arzneimittelgenehmigungsverfahren für die Zulassung von Generika verhindert wird, was so ebenfalls nicht im TRIPS-Abkommen vorgesehen ist.
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4. Die Situation in Entwicklungsländern
Die Modelle und Verfahren, die die Basis der internationalen Angleichung von
Rechten an geistigem Eigentum bilden, sind im Allgemeinen einseitig zu Gunsten der Rechteinhaber ausgestaltet. Dies hat ernste Auswirkungen auf den Wettbe-
werb. Wenn diese Verfahren auf die Entwicklungsländer übertragen werden,
werden auch diese Ungleichgewichte transferiert. Es gibt darüber hinaus system-
immanente Gründe, warum eine Harmonisierung, die auf die Schutzstandards der Industrieländer hinausläuft, für die meisten Entwicklungsländer unangemes-
sen und sogar schädlich ist. Der allergrößte Teil der Patente in Entwicklungsländern wird von Ausländern gehalten. Daher fließt auch der Großteil ihres wirtschaftlichen Nutzens ausländi-
schen Einrichtungen zu. Hohe – und weiter zunehmende – Erträge aus Patenten werden so aus Entwicklungsländern in die Industrieländer transferiert. Da sich
die Patente im Besitz von Ausländern befinden, werden heimische Forscher und
Unternehmen zudem an der Nutzung des patentierten Materials gehindert oder
zumindest behindert. Für die heimische Wirtschaft wird es darüber hinaus schwierig bis unmöglich, ähnliche Produkte wie die patentierten herzustellen. Der Wettbewerb in den Entwicklungsländern wird eingeschränkt, wenn zuneh-mend Ausländern Monopolrechte erteilt werden. Heimische Unternehmen sehen sich mit hohen oder sogar unüberwindlichen Hindernissen konfrontiert, durch
die sie Gefahr laufen, ihre Konkurrenzfähigkeit zu verlieren. Die oft auf Nachah-
mung basierende industrielle Entwicklung, wie sie die heutigen Industrieländer und auch wirtschaftlich erfolgreiche Entwicklungsländer wie Südkorea durchlie-
fen, als sie sich noch nicht an die hohen Schutzstandards des TRIPS-Abkommens
halten mussten, wäre heute ohnehin extrem schwierig oder gar unmöglich (siehe dazu u.a. Chang 2002). Die Situation ist daher für Entwicklungsländer besonders problematisch. Die pa-tentrechtlichen Entwicklungen in den USA mögen es US-Firmen erschweren, mit
denjenigen US-Konzernen zu konkurrieren, die im Besitz von geistigen Eigen-
tumsrechten sind. In diesem Fall aber findet die Marktkonzentration innerhalb ein und desselben Landes statt. Das Problem der Entwicklungsländer hat dagegen ganz andere Dimensionen: Ihre heimischen Unternehmen sind nicht in der Lage,
sich zu entwickeln, da die meisten Patente und anderen Schutzrechte in ihrem Land von Ausländern gehalten werden. Für ein Industrieland liegt das Problem im Wesentlichen also im Ausmaß der
Konzentration oder Monopolbildung innerhalb seiner Grenzen. Für ein Entwick-lungsland aber geht es um das schiere Überleben der heimischen Wirtschaft ge-
genüber der übermächtigen ausländischen Konkurrenz in Sektoren, in denen Patente Überhand nehmen und in ausländischem Besitz sind. Dazu kommt ein weiteres Argument: Während Industrieländer oft über gesetzli-
che Instrumente verfügen, beispielsweise in der Kartellaufsicht oder im Wettbe-werbsrecht, um wettbewerbswidriges Verhalten oder anderen Missbrauch durch
Schutzrechtsinhaber zu bekämpfen, fehlt den meisten Entwicklungsländer diese
Möglichkeit – entweder weil sie nicht über entsprechende Instrumente verfügen oder weil ihnen die institutionellen Kapazitäten zu deren Nutzung fehlen.
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In anderen Worten: je höher die Standards zum Schutz von Rechten an geistigem
Eigentum, desto größer die Probleme in Entwicklungsländern. Diese verschlim-mern sich noch, wenn die Regierungen durch eine „Harmonisierung nach oben“ den noch vorhandenen politischen Spielraum verlieren, sei es durch internationa-
le Verträge oder sei es durch bilaterale oder regionale Handels- und Wirtschafts-
abkommen. Neuere Untersuchungen zeigen die hohen Kosten, die Entwicklungsländern da-
durch entstehen. Der ehemalige Forschungsleiter für Handelspolitik der Welt-bank, Michael Finger, schätzt, dass durch die Umsetzung des TRIPS-Abkommens
Mehrzahlungen für Lizenzgebühren in Höhe von 60 Mrd. US-$ im Jahr auf die
Entwicklungsländer zukommen (Finger 2002). Schätzungen der Weltbank zufolge bringt das TRIPS-Abkommen den sechs größ-ten Industrieländern jährliche Mehreinnahmen aus Lizenzgebühren in Höhe von
41 Mrd. US-$ (World Bank 2001). Größter Nutznießer sind die USA mit 19 Mrd. US-$, gefolgt von Deutschland mit 6,8 Mrd. $, Japan mit 5,7 Mrd. $, Frankreich
mit 3,3 Mrd. $, Großbritannien mit 3 Mrd. $ und der Schweiz mit 2 Mrd. $. Un-
ter den Entwicklungsländern, die besonders starke Einbußen durch die höheren
Lizenzzahlungen erleiden werden, sind demnach Südkorea (15,3 Mrd. $), China (5,1 Mrd. $), Mexiko (2,6 Mrd. $), Indien (903 Mio. $) und Brasilien (530 Mio.
$). Weisbrot und Baker (2002) vermuten, dass die tatsächlichen Kosten für die Ent-wicklungsländer höher sein dürften als die Schätzungen der Weltbank, da diese
nur die direkten Lizenzzahlungen für Patente berücksichtigt. Hinzu kommen a-
ber noch weitere Wohlfahrtsverluste, denn geistige Eigentumsrechte führen dazu, dass Waren weit über ihrem normalen Preis verkauft werden. Die beiden Autoren
zitieren andere Untersuchungen, wonach diese Wohlfahrtsverluste das Doppelte
der geschätzten Abflüsse für Lizenzzahlungen betragen dürften. Darüber hinaus fallen Kosten für die Verwaltung und Durchsetzung der Patent-
gesetze an. Viele Entwicklungsländer müssen ihre Gesetze eigens reformieren und Behörden und juristische Expertise aufbauen. Finger (2002) zufolge lässt sich aus
den Erfahrungen von Weltbankprojekten ableiten, dass ein Entwicklungsland
durchschnittlich 150 Mio. US-$ für die Umsetzung von drei neuen WTO-
Übereinkommen (Pflanzenschutz und Hygiene, Bestimmung des Zollwerts und
geistige Eigentumsrechte) veranschlagen muss. Das ist in vielen der ärmsten Län-
der mehr als das Entwicklungsbudget eines ganzen Jahres. Viele Experten sind der Überzeugung, dass die Entwicklungsländer ein schlechtes Geschäft gemacht haben, als sie sich im Rahmen der Uruguay-Runde auf das
TRIPS-Abkommen einließen. „Durch TRIPS haben sich die Entwicklungsländer gesetzlich verpflichtet, Kosten von 60 Mrd. US-$ im Jahr auf sich zu nehmen,
aber es gibt keinerlei Verpflichtungen in dem Abkommen, durch die sie irgend-
etwas im Gegenzug dafür bekommen“ (Finger 2002, S. 11). Die große Idee der Uruguay-Runde bestand eigentlich darin, dass Entwicklungs-länder auf neuen Gebieten Verpflichtungen eingehen sollten, dass sie aber dafür
besseren Zugang zu den Märkten der Industrieländer erhalten sollten, insbeson-dere für landwirtschaftliche Produkte und Textilien. Finger kommt jedoch zu dem Schluss, dass es bei TRIPS um gigantische Summen geht, verglichen mit den
Mehreinnahmen der Entwicklungsländer durch verbesserten Zugang zu den Märkten der Industrieländer. Die USA haben demnach 13mal höhere Einnahmen
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durch Lizenzzahlungen unter dem TRIPS-Abkommen erzielt als durch den Ab-
bau von Industriezöllen. Im Fall von Deutschland, Frankreich und Großbritan-nien ist der Faktor 3,6. Umgekehrt ist der Verlust durch die TRIPS-Verpflichtungen für Südkorea 18mal so hoch wie die Gewinne durch den in der
Uruguay-Runde vereinbarten Zollabbau. In Mexiko übertreffen die Kosten den
Nutzen um das Siebenfache und in China um das 4,7fache. Selbst bekannte Volkswirte, die sonst durchaus für freien Welthandel eintreten,
haben die aus dem TRIPS-Abkommen resultierenden Ungleichgewichte ebenso scharf kritisiert wie die negativen wettbewerbspolitischen Auswirkungen, die
durch die weltweite Anhebung des Schutzes von Rechten an geistigem Eigentum
auf das Niveau der Industrieländer entstehen. So hat Jagdish Bhagwati, Volkwirtschaftsprofessor an der New Yorker Columbia University, in der Financial Times geschrieben, dass es in der WTO doch eigent-
lich um Vorteile durch freien Handel für alle daran beteiligten Parteien gehen sollte (Bhagwati 2001). Aber der Schutz geistiger Eigentumsrechte sei nichts an-
deres als eine Art Steuer, die arme Länder für die Nutzung von Wissen entrichten
müssten. Er stelle damit eine Vermögensübertragung an die reichen Länder dar.
„Mit Hilfe mächtiger Lobbys haben wir die WTO in eine Behörde zum Eintreiben von Lizenzgebühren verwandelt, indem wir – unterstützt durch ständige Propa-
ganda, der unsere Medien Glauben schenken – so tun, als hinge dieses Thema irgendwie mit Handel zusammen.“ Bhagwati leitet daraus die Forderung ab, das TRIPS-Abkommen aus der WTO herauszunehmen. Auch T.N. Srinivasan (2000), Wirtschaftspofessor an der Yale University, fordert,
TRIPS entweder ganz aus der WTO herauszunehmen oder wenigstens einige der Kernpunkte neu zu verhandeln. Die wesentlichen Argumente für ein hohes
Schutzniveau für geistiges Eigentum lauten, dass Innovationen angeregt werden und dass zugleich ausländische Unternehmen eher zu Investitionen und Techno-
logietransfer in die Entwicklungsländer bereit wären. „Diese Argumente beruhen
auf der Annahme, dass erstens ein Schutz von Rechten an geistigem Eigentum,
wie er unter TRIPS vorgesehen ist, eine notwendige Voraussetzung für die Förde-
rung von Innovationen ist, und dass zweitens ausländische Investoren großes
Gewicht auf ein strenges Regime zum Schutz geistigen Eigentums legen. Die the-
oretische Begründung und insbesondere auch die empirischen Belege für diese beiden Hypothesen sind jedoch alles andere als stark (.). Die Bedeutung von
Patentschutz als Ansporn für Innovationen erscheint in Wirklichkeit nicht sehr ausgeprägt. Dagegen dürften der Öffentlichkeit hohe Kosten entstehen, weil Pa-
tente den Zugang zu Technologien einschränken.“ Über das Verhältnis von Nutzen und Kosten und über die wettbewerbspoliti-
schen Folgen schreibt Srinivasan weiter: „Die meisten Nutznießer des TRIPS-Abkommens befinden sich in den reichen Industrieländern und nur wenige,
wenn überhaupt, in den armen Ländern. Selbst wenn der Nutzen höher wäre als
die Kosten, wären angesichts dessen internationale Ausgleichszahlungen nötig, um die Verlierer zu entschädigen. Das TRIPS-Abkommen sieht jedoch keinerlei
Transferzahlungen von den Gewinnern an die Verlierer vor. Überdies verhilft
dieses Abkommen, anders als der Abbau von Zöllen, Unternehmen aus den In-dustrieländern zu einer Monopolstellung auf den Märkten der armen Länder.
TRIPS erzeugt so eine Verzerrung der Wettbewerbssituation in den Entwick-lungsländern, wobei die Gewinne der Monopolisten den reichen Ländern zuflie-
ßen. Zugleich dürfte jegliche Beschleunigung des Innovationsprozesses – die ja
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die zentrale Begründung für die Gewährung von Monopolrechten ist – wenn ü-
berhaupt, dann vor allem in den Industrieländern stattfinden. Ob irgendetwas von dem Nutzen beschleunigter Innovation den armen Ländern zu Gute kommt, ist fraglich. Ohnehin ist der Umfang des Nutzens unsicher, und er kommt besten-
falls erst irgendwann in der Zukunft zum Tragen. Die Kosten, die den Entwick-
lungsländern entstehen, sind hingegen konkret und schon jetzt spürbar.“ Ein anderer Verfechter freien Handels, Arvind Panagariya, hat aufgezeigt, wie die
Harmonisierung des Patentrechts unter dem TRIPS-Abkommen zu Wohlfahrts-verlusten in Entwicklungsländern und sogar in der gesamten Welt führt (Panaga-
riya 1999). Seine Thesen lassen sich wie folgt zusammenfassen: „Nehmen wir an, die Welt ist in zwei Region aufgeteilt: Norden und Süden. Der Norden stellt eine viel größere Volkswirtschaft dar als der Süden, und er verfügt
über einen komparativen Vorteil bei Innovationen. Zunächst werden Patente im
Norden für 20 Jahre erteilt und im Süden für fünf Jahre, d.h. Erfinder genießen
im Norden 20 Jahre lang Monopolrechte auf ihr Produkt und fünf Jahre lang im Süden. Das TRIPS-Abkommen, durch das sich die Laufzeit von Patenten im Sü-
den von fünf auf 20 Jahre verlängert, hat zwei wesentliche Auswirkungen. Erstens dehnt es die durch die Monopolrechte entstehenden Marktverzerrungen für alle neuartigen Produkte im Süden auf 20 Jahre aus. Die daraus resultierende Ineffi-
zienz der Märkte führt zu Wohlfahrtseinbußen im Süden und in der ganzen Welt. Darüber hinaus wird wegen der in Folge des Patentschutzes höheren Produzen-tenpreise ein Teil des Einkommens der Verbraucher im Süden an die Innovato-
ren im Norden transferiert. Diese Umverteilung senkt die Einkommen im Süden
weiter und erhöht die im Norden. Der Verlust ist im Süden folglich höher als in der Welt insgesamt. Die zweite Folge der Ausweitung des Patentsystems des Nordens auf den Süden
ist, dass einige zusätzliche Innovationen angeregt werden. Die Aussicht auf eine 15 Jahre länger andauernde Monopolstellung im Süden dürfte durchaus ein ge-
wisser Anreiz zur Erfindung zusätzlicher Produkte oder Verfahren sein. Der Nut-
zen dieser Innovationen muss mit den Verlusten, die durch die gewährten Monopolrechte entstehen, verrechnet werden. Aber da die Volkswirtschaft des
Südens relativ klein ist, dürften auch die dort geförderten zusätzlichen Innovatio-nen nicht sehr zahlreich sein. Die Verluste, die durch die Laufzeitverlängerung
von Monopolrechten um 15 Jahre entstehen, werden daher mit Sicherheit den
Nutzen durch die zusätzlichen Innovationen übertreffen.“
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5. Beispiele für die Auswirkungen von Rechten an geistigem Eigentum auf Wettbewerb und Gemeinwohl
Es muss also, wie bereits festgestellt, einen vernünftigen Ausgleich geben zwi-
schen den Monopolrechten der Inhaber geistiger Eigentumsrechte und dem Inte-resse der Allgemeinheit an der Nutzung der jeweiligen Innovationen. Die
Harmonisierung der Standards zum Schutz von Rechten an geistigem Eigentum
hat das Gleichgewicht jedoch zu Lasten des öffentlichen Interesses und der Ent-wicklungsländer verschoben. Die rechtliche Entwicklung in den Industrieländern
begünstigte umgekehrt die Inhaber geistiger Eigentumsrechte. Dadurch entstan-den negative Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation und den Zugang von
Verbrauchern zu Waren und Dienstleistungen. Im Folgenden sind einige Beispie-
le dafür aufgelistet. a) Auswirkungen auf Wettbewerb und Marktstrukturen Durch ihre Monopolrechte können Patentinhaber Konkurrenzfirmen den Marktzugang und mitunter auch Forschung und Entwicklung erschweren oder sogar unmöglich machen. Dies mag gerechtfertigt sein, wenn die Patentvergabe
nach korrekten Kriterien und für eine vernünftige Laufzeit erfolgt und wenn der
Patentinhaber seine Rechte nicht missbraucht, um damit Wettbewerber zu drangsalieren. Der in einigen Industrieländern zu beobachtende Trend zur Aufweichung der Kriterien bei der Patentvergabe und die immer häufiger anzutreffende Neigung
von Patentinhabern, sich auch mit Hilfe ihrer Patente die Konkurrenz vom Leib
zu halten, verschlimmert jedoch die wettbewerbsschädlichen Effekte geistiger Ei-gentumsrechte. Jaffe und Lerner (2004) haben dazu eine interessante Untersu-chung vorgelegt. Die Zahl der erteilten Patente hat sich demnach zwischen 1983
und 2002 von 62.000 auf 177.000 annähernd verdreifacht. Dabei war ein beson-ders starker Zuwachs von eher zweifelhaften Patenten zu beobachten für so ge-nannte Erfindungen, die nicht neu, sondern trivial und offensichtlich sind. Diese Entwicklung ging einher mit einer dramatischen Zunahme von Patentstrei-tigkeiten vor Gericht. In letzter Zeit passiert es häufiger, dass ein gut etabliertes
Unternehmen mit vielen Patenten von Konkurrenzfirmen auf einmal Lizenzzah-
lungen verlangt. Viele der beklagten Unternehmen lassen sich dann auf einen
Vergleich ein, selbst wenn sie sich überhaupt keiner Patentverletzung schuldig
fühlen, weil sie nicht über ausreichende finanzielle Mittel für langwierige Ge-
richtsverfahren verfügen. Viele große Unternehmen haben dies nachgerade zu
einem eigenen, lukrativen Geschäftsfeld entwickelt. So nimmt beispielsweise Te-xas Instruments durch Lizenzzahlungen und gerichtliche Vergleiche jährlich fast
1 Mrd. US-$ ein. In einigen Jahren lagen diese Einnahmen sogar über den Ge-
winnen, die das Unternehmen durch den Verkauf seiner Produkte erzielte. Klei-nere Firmen investieren deshalb teilweise weniger in Forschung und Entwicklung,
weil sie vor Innovationen in Bereichen zurückschrecken, in denen große Unter-nehmen zahlreiche Patente halten. Die Folge davon ist also, dass Innovationen kleinerer, jüngerer Unternehmen behindert werden – wiederum mit negativen
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Ein zweiter Trend ist das Auftreten individueller Erfinder, die Unternehmen er-
pressen. Diese Personen haben Patente für teilweise durchaus zweifelhafte Inno-vationen erhalten, an die sie übermäßig weitgesteckte Forderungen knüpfen. Auch hier entscheiden sich beklagte Unternehmen oft genug für einen Vergleich,
um langwierige und teure Gerichtsverfahren mit unsicherem Ausgang zu vermei-
den. Ein Beispiel, wie mit einem trivialen Patent der Wettbewerb behindert wird, ist
der Fall des US-Unternehmens J.M. Smucker, das Marmelade und andere Le-bensmittel herstellt. Das Unternehmen erhielt ein Patent für einen „versiegelten
Marmeladesandwich ohne Kruste“ und verklagte daraufhin die Lebensmittel-
handlung Albie’s Food in Michigan, weil diese auch krustenlose Sandwiches ver-
kauft. Vor einem Bundesgericht trug Albie’s vor, dass diese Art von Sandwich zumindest in Michigan schon seit dem 19. Jahrhundert ein beliebtes Essen sei.
Schließlich schlossen die beiden Parteien einen Vergleich. Andere Beispiele zwei-felhafter Patente sind für ein „Verfahren zum Trainieren von Katzen“ und ein „Verfahren zum Schaukeln auf einer Schaukel“ erteilt worden. Jaffe und Lerner zufolge ist das US-Patentamt inzwischen so überlastet und der
Druck zur Bewilligung möglichst vieler Patente so groß, dass das System zur Prü-
fung der Neuheit einer Erfindung in der Praxis nicht mehr funktioniert. Zugleich
haben aber Reformen des Rechtswesens dazu geführt, dass Patente eine viel stär-
kere juristische Waffe sind als früher. Die Chancen, Klagen gegen angebliche Pa-tentverletzer zu gewinnen, sind deutlich gestiegen. „Das Ergebnis davon ist ein
gefährliches und teures Wettrüsten, das den wichtigen Prozess technologischer Innovationen eher behindert als fördert“ (Jaffe, Lerner 2004, S. 34-35). Die Autoren schlagen zwecks Abhilfe eine Änderung des Anreizsystems für alle
Beteiligten vor: Patentamt, potenzielle Patenanmelder und Patentinhaber. Ziel
der Reform solle sein, die Zahl der Anmeldungen zu verringern und deren Prü-fung zu verbessern, während zugleich Patentinhabern der Anreiz genommen
werden soll, Patentklagen als Waffe gegen Konkurrenten zu verwenden. b) Auswirkungen auf Preise und den Zugang zu lebenswichtigen Gütern Durch ihre Monopolrechte können Patentinhaber den Wettbewerb beschränken
und Monopolpreise verlangen. Die Verfechter eines strengen Schutzes geistigen Eigentums verweisen darauf, dass Innovatoren für ihre Forschungskosten ent-
schädigt werden sollen, und dafür sei ein Preisaufschlag nötig. Kritiker halten dagegen, dass dadurch in manchen Fällen die Inhaber der Schutzrechte einseitig
bevorzugt werden. Denn diese könnten übermäßige, ja teilweise exorbitante Pro-
fite erzielen, indem sie von Verbrauchern überhöhte Preise verlangen, die weit über einen Ausgleich der Forschungskosten hinausgehen. Damit Politiker ent-
scheiden können, ob die Interessen von Verbrauchern und Patentinhabern glei-
chermaßen berücksichtigt werden oder ob ein Ungleichgewicht besteht, müssen
sie an Informationen über Innovationskosten und Preisgestaltung der entspre-
chenden Unternehmen kommen. Bei Medikamenten ist die Auswirkung von Patent-Monopolen auf die Preise gut belegt durch Preisvergleiche zwischen Markenarzneimitteln und Generika, zwi-
schen den Preisen ein und desselben Produktes in verschiedenen Ländern sowie
zwischen den Preisen, die auf dem freien Markt für die Inhaltsstoffe bezahlt wer-
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den, und den konzerninternen Verrechnungspreisen. Die Vergleiche ergaben fol-
• Die Preise von Markenmedikamenten sind oft wesentlich höher als die
von nachgemachten Mitteln (Generika). Ein Vergleich von HIV/AIDS-Medikamenten im Jahr 2001 zeigte, dass in den USA der Preis des anti-
retroviralen Mittels 3TC (Lamivudin) von GlaxoSmithKline bei 3271 US-$ pro Jahr und Patient lag, während der indische Generika-Hersteller Cipla nur 190 US-$ verlangte. Im Fall von Viramun (Nevirapin) wurde eine Jah-
resdosis des Markenprodukts in den USA für 3508 US-$ verkauft, wäh-
rend der Preis des Cipla-Generikums 340 US-$ betrug (Kavaljit 2001).
• Wenn Generika auf den Markt kommen, fallen die Preise für die patentier-
ten Produkte. Zum Beispiel kosteten 1000 Tabletten des Cholesterinsen-
kers Simvastatin (Markenname Zocor) in Malaysia, wo es keine
Konkurrenz durch Generika gab, 1050 US-$. In Indien wurde Zocor für 11 $ verkauft, weil es dort einen Generika-Hersteller gab, der das gleiche Mit-
tel für nur 11 $ anbot (Balasubramaniam 2002). Als in Brasilien die Regie-rung grünes Licht für die Herstellung von nachgemachten AIDS-Medikamenten gab, fielen die Preise für die entsprechenden Markenpro-
dukte um 79 Prozent (Médecins sans Frontières 2001).
• Wenn ein Pharmaunternehmen ein Arzneimittel in verschiedenen Län-
dern anbietet, nimmt es dafür üblicherweise sehr unterschiedliche Preise, je nachdem, was der Markt hergibt. Wo alternative Arzneimittel oder Ge-
nerika im Angebot sind, sind die Preise der Markenprodukte tendenziell
niedriger. Dasselbe Produkt wird aber zu höheren Preisen verkauft, wo es keine Konkurrenz gibt. So wurde das Magenmittel Zantac (das in
Deutschland unter dem Namen Zantic vertrieben wird, Anm. d. Übers.) in
Indien ausgesprochen billig verkauft, nämlich für 2 US-$ für 100 Tablet-ten, weil es dort Konkurrenz durch Generika gab. In Nepal kostete dassel-
be Marktenprodukt 3 US-$, in Bangladesch 9 US-$, in Vietnam 30 US-$, in Thailand 37 US-$, in Malaysia 55 US-$, in Sri Lanka 61 US-$, auf den Philippinen 63 US-$, in Tansania 97 US-$, in El Salvador 132 US-$, in
Südafrika 150 US-$, in der Mongolei 183 US-$ und in Chile sogar 196 US-
$. In Australien war es für 23 US-$ auf dem Markt und in Kanada für 77
US-$ (Health Action International 1998).
• Transnationale Konzerne nutzen die Verrechnungspreise, die im konzern-
internen Handel mit Grundstoffen für Medikamente zu Grunde gelegt
werden, um die Arzneimittelpreise in Entwicklungsländern künstlich in die Höhe zu treiben. Eine Untersuchung in Pakistan ergab, dass transnati-
onale Konzerne Grundstoffe an ihre Tochtergesellschaften in Pakistan ex-portierten zu Preisen, die deutlich über dem lagen, was für die gleichen
Chemikalien auf dem freien Markt zu zahlen gewesen wäre. Im Falle eines
von einem deutschen Konzern hergestellten Medikaments wurden der pa-kistanischen Tochterfirma 11.092 US-$ pro Kilo eines Grundstoffs in Rechnung gestellt. Der Weltmarktpreis dagegen wäre 320 US-$ gewesen –
ein Preisunterschied von 3366 Prozent. Ein italienisches Unternehmen kassierte von seiner Tochtergesellschaft in Pakistan für andere Grundstoffe 7044 Prozent des Weltmarktpreises (Health Action International 1994).
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• Einige Studien zeigen, dass Pharmaunternehmen für bestimmte Marken-
produkte in Entwicklungsländern einen höheren Preis erzielen als in In-
dustrieländern. Im Jahr 1998 lagen zum Beispiel die Preise für zehn von 13 häufig verwendeten Arzneimitteln in Tansania höher als in Kanada. Die Durchschnittpreise von 20 Medikamenten waren in zehn mittel- und süd-
amerikanischen Ländern allesamt höher als die Preise für dieselben Medi-kamente in zwölf OECD-Ländern (Health Action International 1998).
c) Patente auf Leben Ein weiteres Beispiel für den Missbrauch geistiger Eigentumsrechte ist die Paten-
tierung biologischer Ressourcen und die widerrechtliche Aneignung dieser Res-
sourcen und des damit verbundenen traditionellen Wissens. Die Patentierung
dieser Ressourcen führt oft zu deren Monopolisierung durch Unternehmen aus den Industrieländern, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit der Entwicklungsländer
beschnitten wird. In Artikel 27.3 (b) des TRIPS-Abkommens fehlt eine einleuchtende Begründung, warum verschiedene Lebensformen hinsichtlich ihrer Patentierbarkeit unter-
schiedlich behandelt werden. Es wird hier eine künstliche Unterscheidung getrof-
fen zwischen Pflanzen und Tieren, die von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden dürfen, und Mikroorganismen, die nicht ausgeschlossen werden können.
Darüber hinaus unterscheidet der Artikel biologische Verfahren zur Herstellung
von Pflanzen und Tieren, die ausgeschlossen werden können, von mikrobiologi-schen Verfahren, die nicht ausgeschlossen werden dürfen. Durch TRIPS werden die WTO-Mitgliedsstaaten verpflichtet, Patente für Mikro-
organismen sowie für mikrobiologische und nicht-biologische Verfahren zur Herstellung von Pflanzen und Tieren zuzulassen. Es gibt keinen erkennbaren
Grund, warum diese Lebewesen beziehungsweise Verfahren in jedem Fall zu pa-
tentieren sind, während die Staaten bei Pflanzen, Tieren und biologischen Ver-fahren die Möglichkeit haben, Patente zu verbieten. Indem er die Patentierbarkeit von Mikroorganismen, bei denen es sich ja auch
um natürliche Lebewesen handelt, und von mikrobiologischen Verfahren, bei denen es sich durchaus um natürliche Prozesse handelt, zwingend vorschreibt,
steht Artikel 27.3 in offenkundigem Widerspruch zu den allgemeinen Grundsät-
zen des Patentrechts: dass nämlich natürlich vorkommende Stoffe und Verfahren keine Erfindungen, sondern Entdeckungen und als solche nicht patentierbar sind.
Indem Artikel 27.3 darüber hinaus den einzelnen WTO-Mitgliedsstaaten über-lässt, ob sie die Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren ausschließen wollen
oder eben auch nicht, erlaubt er de facto Patente auf Leben. Seit einigen Jahren findet ein wahres Wettrennen zwischen Unternehmen und
Forschungseinrichtungen vor allem in den Industrieländern um Patente auf Ge-ne, Mikroorganismen und anderes biologisches Material statt. Dieser Massenan-
drang auf Gen-Patente war Gegenstand einer Untersuchung der britischen Organisation GeneWatch und der Zeitung The Guardian. Diese veröffentlichte am 15.11.2000 den Bericht über die „Ethik der Genetik“, in dem die in 40 Patent-
behörden aus aller Welt vorliegenden Gen-Patente untersucht wurden. Bis November 2000 waren demnach Patente auf mehr als 500.000 Gene und Gen-sequenzen von Lebewesen erteilt oder angemeldet worden. Darunter waren mehr
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als 9000 bewilligte oder beantragte Patente auf insgesamt 161.195 menschliche
Gene oder Teile davon. Dieser Goldrausch auf Gen-Patente spiegelt die Annahme vieler Unternehmen wider, dass damit viel Geld zu verdienen ist. Die Leidtragenden sind die Men-
schen in den Entwicklungsländern. Die meisten Patente gehen an Einrichtungen in den Industrieländer, und sie sind es, die die Monopolrechte und die daraus resultierenden Profite erhalten. Entwicklungsländer dagegen werden an der Nut-
zung des patentierten Materials gehindert. Dabei stammen nicht wenige der pa-tentierten Gene und Mikroorganismen ursprünglich aus Entwicklungsländern. Es
handelt sich hierbei also um eine widerrechtliche Aneignung der natürlichen Res-
sourcen und mithin um Biopiraterie. Zudem kann genetisches Material beispielsweise mit Hilfe von Bakterien in Pflan-zen und Tiere übertragen werden. Anschließend können Patente auf all diese
Komponenten erteilt werden: das genetische Material, das gentechnisch verän-derte Bakterium und die genmanipulierten Pflanzen beziehungsweise Tiere. In
Folge dessen konzentrieren sich das Eigentum an Patenten und der ökonomische
Nutzen, der sich daraus ziehen lässt, in den Händen weniger Individuen oder In-
stitutionen – mit den bekannten negativen Auswirkungen auf Wettbewerb, Ge-sellschaft und Wirtschaft. Vor allem in Entwicklungsländern wirkt sich dies auf
die Ernährungssicherheit und die Existenzsicherung von Bauern aus. d) Landwirtschaft, biologische Ressourcen und traditionelles Wissen Bevor das TRIPS-Abkommen in Kraft trat, konnten Entwicklungsländer selbst
entscheiden, wie sie mit Fragen der Agrarpolitik, Ernährung und mit ihren gene-tischen Ressourcen umgehen. Eine Reihe von Ländern ließ so grundsätzlich keine
Patente in den Bereichen Landwirtschaft und Lebensmittel zu. TRIPS-Artikel
27.3 (b) sieht jedoch Schutzrechte für Pflanzensorten durch Patente oder ver-gleichbare Systeme vor. In mehreren Industrieländern findet die Patentierung von Pflanzen, Pflanzensor-ten und traditionellem Wissen bereits statt. In diesem Zusammenhang kommt es
zu Biopiraterie, das heißt der missbräuchlichen Aneignung biologischer Ressour-
cen und traditionellen Wissens, da auch aus Entwicklungsländern stammende Pflanzen und Saatgut patentiert werden – üblicherweise ohne das Wissen oder
das Einverständnis der Ursprungsländer und ihrer Bevölkerung. Zwischen 1985 und 1999 sind Informationen von ActionAid (1999) zufolge in
den USA rund 11.000 Patente auf Pflanzen registriert worden. In der EU ist die
Anwendung des Patentrechts auf Mikroorganismen und Gene von Pflanzen, Tie-
ren und Menschen ausgeweitet worden. Wenn nun etwa ein Unternehmen ein
Patent auf ein Gen aus einer bekannten Reissorte hält, kann es auf neue, mit des-sen Hilfe gentechnisch erzeugte Reissorten ein Patent anmelden. ActionAid stellte fest, dass sich die Entwicklung von Verfahren zur Entschlüsse-lung und Identifizierung geeigneter Pflanzengene ständig beschleunigt. Die Bio-tech-Branche versucht, so schnell wie möglich die Genome aller Pflanzen zu
entschlüsseln, die als Grundnahrungsmittel in verschiedenen Ländern dienen. Ziel ist die Patentierung der wichtigsten und kommerziell interessantesten Gene. Die Bauern in den Entwicklungsländern, die einst die meisten der heute weltweit
angebauten Feldfrüchte entwickelten, hätten dann keinerlei Rechte mehr auf dar-
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aus hervorgegangene neue Sorten, da die Patente im Besitz transnationaler Kon-
zerne sein werden. Weiter heißt es bei ActionAid: „In Entwicklungsländern werden nur zehn Pro-zent des Saatguts kommerziell erworben, und viele arme Bauern kaufen Saatgut
nur einmal alle fünf Jahre (.). Wir glauben, dass das Recht, sich seinen Lebens-unterhalt zu verdienen – ein grundlegendes Menschenrecht –, durch Patente auf Agrarprodukte und insbesondere auf Nahrungsmittel bedroht ist. Unsere Unter-
suchung zeigt, dass solche Patente die Existenz der Bauern und die globale Ernäh-rungssicherheit gefährden. Sie beschränken den Zugang der Landwirte zu
erschwinglichem Saatgut, hemmen die staatlichen Pflanzenzuchtbemühungen,
tragen zum beschleunigten Verlust genetischer Vielfalt bei und verhindern tradi-
tionelle Formen der kollektiven Nutzung von Saatgut und Pflanzensorten.“ Die Untersuchung ergab auch, dass insbesondere Unternehmen Patentschutz für
Gensequenzen, Proteine, Pflanzen und Saatgut anmelden. Drei Viertel der Paten-te auf Pflanzengene sind in Besitz des privaten Sektors. Beinahe die Hälfte von 601 Patenten auf pflanzliche DNA waren von nur 14 multinationalen Konzernen
angemeldet worden. Dazu die Studie: „Auch wenn die patentierten Pflanzen und
Gene in den Industrieländern entwickelt worden sind, so bleibt doch festzuhal-
ten, dass es kein System gibt, eine Einverständniserklärung einzuholen und die
betroffenen Staaten und indigenen Völker über die Intentionen der Gen-Sammler zu informieren. Das ist selbst dann der Fall, wenn die ‚Erfindung’ auf dem Wissen der lokalen Bevölkerung basiert. Von den Entwicklungsländern wird
dies als ‚Diebstahl’ von Wissen und natürlichem Leben bezeichnet.“ Bei der Untersuchung von Fällen von Biopiraterie werden in der Studie in zwei
Tabellen Patente aufgeführt, die für natürlich vorkommende chemische Verbin-
dungen, Gene oder Gensequenzen mit unterschiedlichsten Funktionen angemel-
• 62 Patente auf Gene und natürliche Stoffe aus Pflanzen, die traditionell in
Entwicklungsländern angebaut werden. Bei diesen Pflanzen handelt es sich
um Reis (34 Patente), Gummi (8), Kakao (7), Muskat, Kampferbaum und Cuphea (4), Jojoba (3), Maniok und Süßkartoffel (jeweils 2) und Hirse
• 132 Patente auf Gene aus Grundnahrungsmitteln, die ihren Ursprung in
Entwicklungsländern haben, aber inzwischen weltweit angepflanzt werden. Zu diesen Feldfrüchten gehört Mais (68 Patente), Soja (25), Weizen (22)
In einigen der Länder, in denen es bereits Patente auf Pflanzensorten gibt, werden
Landwirte für die angebliche Verletzung geistiger Eigentumsrechte juristisch ver-folgt. In naher Zukunft dürfte es dazu auch in Entwicklungsländern kommen. Ein Bericht des in Washington ansässigen Center for Food Safety (2005) doku-mentiert die Gerichtsverfahren, die gegen US-Landwirte angestrengt wurden we-gen der Verwendung von gentechnisch verändertem Saatgut des Agrarkonzerns
Monsanto. Bisher hat Monsanto dem Bericht zufolge 147 US-Farmer verklagt. Das Unternehmen verfügt über einen 75köpfigen Mitarbeiterstab, der nur dafür zuständig ist, bei Landwirten Untersuchungen anzustellen und sie gegebenenfalls
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Das Center berichtet auch, dass Landwirte verklagt wurden, bloß weil ihre Felder
durch Pollen oder Saatkörner aus der genmanipulierten Saat anderer Farmer kontaminiert wurden oder weil einige Samen von genmanipulierten Feldfrüchten aus dem Vorjahr erneut auf Feldern keimten, auf denen im laufenden Jahr kon-
ventionelle Pflanzen angebaut wurden. Verklagt wurden auch Landwirte, die
zwar das Saatgut offiziell gekauft und bezahlt haben, aber den Vertrag mit Mon-santo nicht unterzeichneten, in dem sie sich verpflichten müssen, das Monsanto-
Saatgut nicht weiterzugeben oder selbst zu vermehren. Wegen der Ausgestaltung
der Patentgesetze liegt die Haftung in all diesen Fällen bei den Landwirten. Es spielt dabei offenbar überhaupt keine Rolle, ob die Verwendung des genmanipu-
lierten Saatguts unbeabsichtigt war oder ob nur ein Vertrag nicht unterschrieben wurde. Einem Bericht der Nachrichtenagentur IPS zufolge saß ein Farmer aus Tennessee
namens Kem Ralph vier Jahre im Gefängnis und wurde zudem zur Zahlung von 1,8 Millionen US$ verurteilt, weil er 1998 etwas von der Ernte von Monsantos
genmanipulierten Sojabohnen der Marke Roundup Ready zurückbehielt und er-
neut aussäte (Inter Press Service, 14.1.2004). Selbst wenn ein Landwirt die Nutzung von Monsanto-Saatgut aussetzt, können sich einige der gentechnisch veränderten Pflanzen im folgenden Jahr selbst aussä-
en. Diese unwillkommenen Nachkommen der genmanipulierten Pflanzen kön-
nen sogar noch fünf oder mehr Jahre nach der letzten Aussaat des patentierten Saatguts auf dem Acker auftauchen. Dem US-Patentgesetz zufolge können sich
Landwirte selbst dann strafbar machen, wenn sie unwissentlich Monsanto-
Saatgut verwenden und es nicht offiziell gekauft haben. In anderen Ländern gibt es ähnliche Gesetze. Im Fall des kanadischen Landwirts Percy Schmeiser haben Pollen von einem be-
nachbarten Rapsfeld und Saatkörner, die der Wind von Lastwagen auf dem Weg zu einer Verarbeitungsanlage wehte, seine Felder mit genmanipuliertem Saatgut
von Monsanto kontaminiert. Das Gericht urteilte, dass Schmeiser Monsantos
Patentrechte verletzte, als er die Ernte einbrachte und verkaufte – unabhängig davon, wie die gentechnisch veränderten Pflanzen auf seine Felder gelangt sind.
Nach einem sechsjährigen Rechtsstreit entschied dann der Oberste Gerichtshof Kanadas, dass Schmeiser zwar genau genommen tatsächlich Monsantos Patent
verletzt habe, aber trotzdem keine Strafe zahlen müsse. Schmeiser hat jedoch sei-
nen eigenen Angaben zufolge 400.000 kanadische Dollar für seine Verteidigung
aufwenden müssen. Ein anderer Farmer, Tom Wiley aus North Dakota, kom-
mentierte: „Bauern werden verklagt, weil gentechnisch veränderte Organismen
auf ihrem Land wachsen, die sie nicht gekauft haben, die sie nicht wollen, die sie
nicht verwenden und die sie nicht verkaufen können.“ All diese Studien zeigen einen Trend in den Industrieländern auf, der sich in an-
deren Ländern wiederholen dürfte, nicht zuletzt auch in den Entwicklungslän-dern, wenn diese ein ähnliches System des Patentschutzes für Pflanzensorten einführen. Entwicklungsländer, die Patente auf Pflanzen nicht zulassen wollen, könnten al-ternative Sortenschutzsysteme in Erwägung ziehen, die die Rechte von Landwir-ten besser berücksichtigen. Sie drohen dann jedoch in der WTO unter Druck zu
geraten, eine sehr enge Interpretation der Anforderungen an ein alternatives Sys-tem zum Schutz von Pflanzensorten zu akzeptieren. Dieser Druck kann entste-
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hen, weil im TRIPS-Abkommen nicht genau geklärt ist, wie viel Flexibilität die
Mitgliedsstaaten bei der Entwicklung eigener Schutzsysteme tatsächlich haben. e) Patente und Technologietransfer Immer wieder wird als Argument für einen umfangreicheren Schutz geistigen
Eigentums in Entwicklungsländern ins Feld geführt, dass dadurch der Technolo-
gietransfer gefördert würde. Ausländische Firmen hätten nämlich einen Anreiz,
in Entwicklungsländern zu investieren und ihre Technologien zu verwerten,
wenn ihre Erfindungen dort geschützt sind. Es gibt jedoch ein Gegenargument: Ausländische Firmen können in die Märkte der Entwicklungsländer eindringen
und dort Profite erwirtschaften, ohne dass sie die patentierten Produkte dort auch tatsächlich herstellen müssen. Sie können diese schließlich auch importieren
und vor Ort zu Monopolpreisen verkaufen. Strenge Regeln zum Schutz von Rechten an geistigem Eigentum können vielmehr sogar den Zugang von Entwicklungsländern zu Technologie behindern (siehe Khor 2002, S. 87-101). Jegliche Behinderung des Technologietransfers aber
schränkt die Möglichkeiten der Entwicklungsländer und ihrer Unternehmen zur Produktivitätsverbesserung ein, die aber nötig ist, um wettbewerbsfähig zu blei-ben. Der globale Wettbewerb wird auf diese Weise behindert. So kann erstens ein strenges System zum Schutz geistigen Eigentums Innovatio-
nen in den Entwicklungsländern hemmen. Befinden sich die meisten Patente in den Händen ausländischer Erfinder beziehungsweise Unternehmen, droht die
Forschung und Entwicklung erstickt zu werden. Systematische Wettbewerbsver-zerrungen, die mit einem strengen Schutz von Rechten an geistigem Eigentum
einhergehen, können das Innovationstempo in Entwicklungsländern bremsen
und die Wissenskluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern noch ver-
größern. Denn das System bevorzugt die Inhaber der geistigen Eigentumsrechte,
da diese über eine größere Verhandlungsmacht verfügen als die Nutzer (Oh
2000). Auch der Bericht der Commission on Intellectual Property Rights (2002, S.
126-130) enthält Beispiele und Analysen, wie das Patentsystem Forschung und Innovation behindern kann. Ghayur Alam (1999) bemerkt dazu: „Die von den Entwicklungsländern geforder-
te Änderung der Politik zum Schutz geistigen Eigentums hat einige Fragen auf-geworfen. Zu den wichtigsten gehört die Frage nach den Auswirkungen auf die
Agrarforschung in Entwicklungsländern. Besonders beunruhigend sind die mög-lichen Auswirkungen auf die Entwicklung neuer Pflanzensorten und gentech-
nisch veränderter Pflanzen.“ Über biotechnologische Forschung schreibt Ghayur weiter: „Die Forschung in
diesem Feld wird vollkommen dominiert von Unternehmen aus den Industrie-ländern, während öffentliche Forschungseinrichtungen, sowohl national als auch
international, sehr schwach sind. Die Einführung von Systemen zum Schutz von
Rechten an geistigem Eigentum, die Patente für biotechnologische Verfahren und Produkte umfassen, wird sich auf die Forschung in den Entwicklungsländern sehr
schädlich auswirken. Unsere Untersuchung der Forschung über Baumwolle und
Reis in Indien ergab, dass die meisten Patente auf wesentliche Verfahren und Ge-ne, die für die Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen nötig sind, im Be-
sitz von Unternehmen in den Industrieländern sind. Da diese Patentrechte
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bislang in Entwicklungsländern keine Gültigkeit haben, können die Wissenschaft-
ler dort noch über lokal angepasste Pflanzen forschen. Wenn jedoch die Geltung der Patentrechte auf die Entwicklungsländer ausgedehnt wird, werden die For-schung und die Kommerzialisierung der Forschungsergebnisse vor ernste Prob-
leme gestellt.“ Zweitens wird es durch einen strengen Schutz geistigen Eigentums schwieriger für Unternehmen oder individuelle Forscher in Entwicklungsländern, patentierte
Technologien zu entwickeln und zu nutzen. Drittens müssen Firmen in Entwicklungsländern, die patentierte Technologien legal nutzen möchten, beträchtliche Lizenzgebühren dafür abführen. Wie bereits
erwähnt, können Patentinhaber durch das TRIPS-Abkommen tendenziell höhere Gebühren für ihre Technologien verlangen. Viele Unternehmen in Entwicklungs-ländern können jedoch diese Gebühren nicht zahlen. Und selbst wenn sie es
könnten, würden die zusätzlichen Kosten ihre Produkte weniger wettbewerbsfä-
hig machen. Überdies belasten hohe Lizenzgebühren, die an ausländische Schutz-
rechteinhaber abgeführt werden müssen, die Devisenreserven des jeweiligen
Entwicklungslandes. Gerade hoch verschuldete Entwicklungsländer werden daher
nicht in der Lage sein, für die Nutzung der patentierten Technologien zu zahlen. Viertens kann ein Patentinhaber, selbst wenn ein Unternehmen in einem Ent-
wicklungsland die üblichen Lizenzgebühren zu zahlen bereit ist, diesem die Nut-
zung der betreffenden Technologie untersagen oder sie an so schwierige
Bedingungen knüpfen, dass die Verwendung unrentabel oder ganz unmöglich
wird. Patentinhaber können auch ganz einfach die Nutzung ihrer Technologie verhindern, indem sie so hohe Lizenzgebühren verlangen, dass Unternehmen im Süden sich die Technologie nicht leisten können. Wie geistige Eigentumsrechte den Technologietransfer an Entwicklungsländer behindern, zeigt unter anderem die Erfahrung, die einige indische Firmen bei der
Entwicklung von Alternativen für Flurchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) machen
mussten. Da dieses Kühl- und Treibmittel die Ozonschicht schädigt, haben sich
die Staaten 1987 unter dem Protokoll von Montreal zum schrittweisen Verzicht
auf FCKW verpflichtet. Dem Protokoll zufolge haben sich die Industrieländer ursprünglich bereit erklärt, bis 2000 auf die Herstellung und Verwendung von FCKW zu verzichten. Ent-wicklungsländer erhielten dafür eine um zehn Jahre längere Frist. Zugleich wurde
ein internationaler Fonds eingerichtet, um Entwicklungsländer beim Ausstieg zu
unterstützen, und Artikel 10 des Protokolls sieht einen entsprechenden Techno-logietransfer in die Entwicklungsländer vor. Alle Mitgliedsstaaten des Protokolls
müssen demnach sicherstellen, dass modernste und umweltfreundliche Ersatz-stoffe und die für deren Herstellung nötigen Verfahren den Entwicklungsländern so schnell wie möglich unter fairen und günstigsten Bedingungen zugänglich ge-
macht werden. Die Auswirkungen geistiger Eigentumsrechte auf den Technologietransfer im Rahmen des Montrealer Protokolls wurden von Watal (1998) am Beispiel Indiens
untersucht. Die Klauseln über Technologietransfer sind besonders relevant für Entwicklungsländer wie Indien, aber auch Brasilien, China, Südkorea und Mexi-ko, die selbst ozonschichtgefährdende Stoffe produzieren. In Indien, Südkorea
und China sind die Produzenten zum größten Teil lokale Firmen, für die der Zu-gang zu erschwinglichen Alternativen überlebenswichtig ist.
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Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass „Bemühungen um Ersatztechno-
logien ohne Erfolg blieben, weil diese Technologien durch geistige Eigentums-rechte geschützt und daher unzugänglich sind, entweder wegen des zu hohen Preises oder wegen unzumutbarer Bedingungen seitens der Anbieter. Durch diese
würden heimische Unternehmen gezwungen, die Anteilsmehrheit aufzugeben
und Joint Ventures einzugehen, um Zugang zu den benötigten alternativen Technologien zu erhalten.“ Überdies war auch die finanzielle Hilfe nicht ausrei-
chend für den Erwerb der Technologien. Die Studie zeigte außerdem, wie ausländische Patentinhaber die Versuche indi-scher Unternehmen konterkarierten, das Kühlmittel HFC-134a als Ersatz für
FCKW herzustellen. Nur einige wenige Unternehmen aus den Industrieländern kontrollieren die Patente auf HFC-134a und die damit zusammenhängenden Ge-
schäftsgeheimnisse. Die Entwicklungsländer müssen daher entweder in den sau-
ren Apfel beißen und hohe Lizenzgebühren zahlen, um HFC-134a zu
produzieren, oder sie verlieren den heimischen Markt ebenso wie den Weltmarkt für Kühlmittel gänzlich, weil sie FCKW bald nicht mehr herstellen dürfen. Eines der indischen Unternehmen, die sich um Zugang zu dieser Technologie
bemühte, erhielt ein Preisangebot von einem multinationalen HFC-134a-
Herstellers, der ein Patent darauf hält, über 25 Millionen US$. Der Anbieter
schlug zwei Alternativen vor: ein Joint-Venture mit der indischen Firma, an dem
der westliche Konzern die Mehrheit halten würde, oder der Verzicht des indi-schen Unternehmens auf den Export von HFC-134a. Beide Vorschläge waren für
das indische Unternehmen ebenso inakzeptabel wie der geforderte Preis für die Patentnutzung. Schätzungen über den Wert des Patents ergaben, dass allenfalls
Lizenzgebühren zwischen 2 Mio. und 8 Mio. US$ gerechtfertigt gewesen wären.
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6. Vorrang für Wettbewerb vor Rechten an geistigem Eigentum
Es gibt mehrere Maßnahmen, die Staaten ergreifen können, um dem Wettbe-
werbsschutz Vorrang vor dem Schutz geistigen Eigentums einzuräumen. Einige davon werden im Folgenden vorgestellt. a) Begrenzung der Gewährung geistiger Eigentumsrechte Eine Praxis des Schutzes von Rechten an geistigem Eigentum weitet Monopol-
rechte unnötig aus oder verleiht sie dem falschen Personenkreis. Dadurch wird
die durch geistige Eigentumsrechte bewirkte Wettbewerbsverzerrung verschlim-
mert. Die wichtigste Möglichkeit, wie Staaten den Wettbewerb angesichts geisti-ger Eigentumsrechte fördern können, ist daher eine Politik, die mit Hilfe
geeigneter Grundsätze (etwa über die Laufzeit eines Patents) eine angemessene Gewährung geistiger Eigentumsrechte sicherstellt. Angemessen heißt dabei, dass
ein Gleichgewicht hergestellt werden muss zwischen den Innovationsanreizen für
die Inhaber der Schutzrechte auf der einen Seite und den Bedürfnissen der Gesell-
schaft, die Erfindungen nutzen zu können, auf der anderen Seite. Die Untersuchung einer Erfindung und die Erteilung eines Patents sollten immer
auf dem Grundsatz basieren, dass nur Erfindungen und nicht Entdeckungen pa-tentierbar sind, und dass folgende drei Kriterien erfüllt sein müssen: ausreichende
erfinderische Leistung, Neuheit und gewerbliche Anwendbarkeit. Patente, die
diesem Standard nicht genügen, dürfen nicht gewährt werden. Ein leistungsfähi-ges Patentsystem muss eingerichtet werden, um die Einhaltung der Kriterien zu
gewährleisten, so dass etwa die Anmeldung alltäglicher oder nicht ernst zu neh-
mender Erfindungen nicht zum Erfolg führen kann. Patente sollten auch weder auf natürlich vorkommende biologische Stoffe erteilt
werden noch auf genetische Ressourcen und damit einhergehendes traditionelles
Wissen, die Allgemeingut oder im Besitz von Dritten sind. Zu diesem Zweck soll-
ten alle nationalen und internationalen Patentschutzsysteme die Offenlegung der Quellen und Herkunftsländer vorsehen und den Nachweis der vorherigen infor-
mierten Zustimmung der Betroffenen zur Nutzung ihrer Ressourcen und ihres Wissens sowie eine Vereinbarung zum Vorteilsausgleich verlangen. Die Commission on Intellectual Property Rights (2002, S. 49 u. 114) hat entspre-
chende Leitlinien aufgelistet. Danach sollte bei der Gesetzgebung in Entwick-lungsländern grundsätzlich auf sehr strenge Voraussetzungen für die
Patenterteilung und einen engen Anwendungsbereich von Schutzrechten geachtet
• die Zahl patentierbarer Gegenstände und Verfahren zu begrenzen; • sicherzustellen, dass nur Patente erteilt werden, die die Kriterien für Pa-
tentierbarkeit erfüllen, und dass der Anwendungsbereich jedes Patents proportional zur Bedeutsamkeit der Erfindung und zum Umfang der Of-
• den Wettbewerb zu fördern, indem die Möglichkeiten des Patentinhabers
beschränkt werden, andere an der Forschung in diesem Bereich zu hin-dern;
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• umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen gegen den Missbrauch von geisti-
• andere Schutzsysteme in Betracht zu ziehen, die möglicherweise besser ge-
eignet sind, Innovationen im eigenen Land zu fördern.
Der CIPR-Bericht beinhaltet auch konkrete Vorschläge, wie diese Ziele in die
Praxis umgesetzt werden können. Die Laufzeit von Patenten, Urheberrechten und anderen geistigen Eigentums-rechten sollte so bemessen sein, dass der Erfinder zwar seine Kosten für For-
schung und Entwicklung wieder einbringen kann, aber dabei keine übermäßigen
Gewinne erzielt. Denkbar ist auch eine Regulierung der Lizenzgebühren, um den
Zugang von Verbrauchern zu lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen zu sichern. b) Ausnahmen, Befreiungen und Beschränkungen Insbesondere Entwicklungsländer sollten bei den geistigen Eigentumsrechten
ausreichenden politischen Spielraum für Ausnahmen, Befreiungen und Be-schränkungen haben, um entwicklungspolitischen Anforderungen und dem Recht auf Zugang zu lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen zu genügen.
Wenn immer solche Ausnahmeregelungen in internationalen Verträgen vorgese-hen sind, wie etwa im TRIPS-Abkommen, sollten Entwicklungsländer diese auch
nutzen. Auf diese Weise ließen sich die negativen Auswirkungen der Monopol-
rechte begrenzen und der Wettbewerb fördern, und zugleich wäre das Recht auf Zugang zu lebenswichtigen Gütern gewährleistet. Organisationen wie die WTO, die WIPO und andere UN-Organisationen sollten
Entwicklungsländern technische Hilfe leisten, wie solche im internationalen
Recht durchaus vorgesehenen Ausnahmeregelungen und Beschränkungen in na-tionales Recht übertragen werden können. Das internationale Recht sollte dahingehend überprüft werden, ob die erlaubten
Ausnahmen ausreichen, um den notwendigen Interessenausgleich zu gewährleis-ten. Dieser Überprüfung sollten entsprechende juristische Kommentare bezie-
hungsweise Gesetzesnovellen folgen. Die Ergebnisse sollten überdies auch bei den
Verhandlungen über internationale Verträge zum Schutz geistiger Eigentums-rechte berücksichtigt werden, seien es neue Verträge oder Ergänzungen zu beste-
henden Verträgen. Bilaterale und regionale Wirtschafts- oder Handelsabkommen sollten keine über die Vorgaben des TRIPS-Abkommens hinausgehenden Be-
stimmungen enthalten. c) Die Nutzung politischer Spielräume Internationale Verträge und Abkommen sollten generell den Nationalstaaten an-
gemessene politische Spielräume einräumen – nicht nur, aber vor allem im Fall der Entwicklungsländer. Damit sollen Maßnahmen seitens der Entwicklungslän-der ermöglicht und sogar gefördert werden, um den negativen Auswirkungen von
geistigen Eigentumsrechten entgegenzuwirken. Damit sollen wettbewerbspoliti-
sche Grundsätze geschützt und der Zugang zu lebenswichtigen Gütern gesichert werden.
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Zu diesen Schutzmaßnahmen gehören unter anderem die Möglichkeit der
Zwangslizenzierung (das heißt die Erteilung von Lizenzen durch die Regierung an heimische Hersteller auch ohne Zustimmung des Patentinhabers), von Parallel-importen (das heißt die Einfuhr eines patentierten Gut aus einem Drittland, in
dem es zu einem niedrigeren Preis angeboten wird) und der freien Verwendung
patentierter Technologien für nicht-kommerzielle Zwecke. Überdies sollten Ent-wicklungsländer technische Hilfe erhalten, um an Informationen über die Exis-
tenz, die Grundprinzipien und die Anwendung solcher Ausnahmemöglichkeiten
zu gelangen, diese in nationales Recht umzusetzen und in der Praxis anzuwen-den. Es sollte auch überprüft werden, ob die internationalen Verträge in ihrer gegen-
wärtigen Form hinreichende Sicherheitsvorkehrungen vorsehen. Erscheinen wei-
tergehende Vorkehrungen notwendig, sollten die Verträge entsprechend ergänzt
oder geändert werden. In den Verhandlungen über neue Verträge sollten
Schutzmaßnahmen von vorne herein mit bedacht werden. Bilaterale und regio-nale Handels- und Wirtschaftsabkommen sollten keine Bestimmungen enthalten,
die die in internationalen Verträgen wie dem TRIPS-Abkommen vorgesehenen Spielräume einschränken. Auf nationaler Ebene sollten Regierungen die beste-
henden Gesetze überprüfen und gegebenenfalls überarbeiten, um die internatio-
nal vorhandenen Spielräume völlig auszuschöpfen. d) Wettbewerbspolitische Grundsätze und rechtliche Regelungen Wettbewerbsfreundliche Grundsätze und Maßnahmen, die in internationalen Verträgen über geistige Eigentumsrechte enthalten sind, sollten in der Praxis voll
anerkannt werden. So erkennt Artikel 8.2 des TRIPS-Abkommens die Notwendigkeit von Maßnah-
men an, um den Missbrauch geistiger Eigentumsrechte oder die unverhältnismä-ßige Behinderung von Handel und Technologietransfer zu verhindern. Die
Vergabe von Lizenzen durch die Patentinhaber ist, wie Roffe (1998) festhält, zwar durchaus legitim. In den meisten Fällen ist sie auch dem Wettbewerb förderlich,
indem dadurch Dritte Zugang zu patentierten Technologien erhalten. Jedoch
kann Lizenzierung der OECD zufolge auch „wettbewerbsschädlich sein, wenn es sich dabei um bloße Scheingeschäfte zur Bildung von Kartellen handelt, wenn sie
den Wettbewerb zwischen Technologien behindert, die Substitute für einander
sind, oder wenn sie verhindert, dass neuartige Technologien auf den Markt kommen.“ Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf Artikel 40 in Teil 8 des
TRIPS-Abkommens, in dem es um die Kontrolle wettbewerbswidriger Praktiken in Lizenzverträgen geht. Demnach behindern einige Lizenzierungspraktiken oder Auflagen in Zusammenhang mit geistigen Eigentumsrechten den Wettbewerb
und sind somit schädlich für Handel und Technologietransfer. Artikel 40.2 er-laubt es den Mitgliedsstaaten, in ihrer nationalen Gesetzgebung bestimmte Lizen-zierungspraktiken zu benennen, durch die geistige Eigentumsrechte in
wettbewerbsschädlicher Weise missbraucht werden. Der jeweilige Staat kann dann geeignete Gegenmaßnahmen in Einklang mit dem TRIPS-Abkommen er-greifen, um solche Praktiken zu kontrollieren oder einzuschränken. Als Beispiele
für missbräuchliche Praktiken werden exklusive Grant-Back-Klauseln genannt
(der automatische Rückfluss von Verbesserungen, die der Lizenznehmer vorge-
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nommen hat, an den Lizenzgeber), der Ausschluss von juristischen Anfech-
tungsmöglichkeiten oder der Zwang zur Abnahme eines ganzen Lizenzbündels. Artikel 40.3 sieht zudem die Möglichkeit der Rücksprache beziehungsweise Ko-operation zwischen Mitgliedsstaaten vor. Dazu gehört auch der Austausch nicht-
vertraulicher Informationen, um gegen Inhaber geistiger Eigentumsrechte vorzu-gehen, die wettbewerbsschädliche Praktiken anwenden oder die Gesetze eines Mitgliedsstaats verletzen. Eine Reihe von Industrieländern verfügt über Gesetze oder Vorschriften, die be-
stimmte wettbewerbsschädliche Praktiken von vorne herein als gesetzeswidrig einstufen (siehe Watal 2001, S. 304-309). So nennen die kartellrechtlichen
Grundsätze der USA über Lizenzierung und Erwerb geistiger Eigentumsrechte von 1995 als Beispiele für unrechtmäßige Praktiken Preisabsprachen, Produkti-onsmengenbeschränkungen, die Marktaufteilung zwischen Wettbewerbern, den
Ausschluss bestimmter Unternehmen von Geschäften sowie Preisbindungsvorga-
ben für den Einzelhandel. Ob die Kartellbehörde bestimmte wettbewerbsschädli-
che Auflagen zulässt oder untersagt, macht sie davon abhängig, ob es dadurch zu
Effizienzsteigerungen und einer besseren Verflechtung wirtschaftlicher Aktivitä-
ten kommt. Die EU hat in ihrer Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-
Vereinbarungen von 1996 (Verordnung 240/96) acht Kategorien auf eine
Schwarze Liste gesetzt, darunter Auflagen zu Preisfestsetzungen, Produktionsbe-
schränkungen, zur Aufteilung von Märkten oder Kunden, zu Exporten innerhalb
des Gemeinsamen Marktes, Forschung und Entwicklung sowie exklusive Grant-Back-Klauseln. In Japan werden gemäß den Richtlinien über unfaire Handelspraktiken fünf Ar-
ten von Auflagen als unrechtmäßige Praktiken eingestuft, es sei denn, es gibt be-
gründete Gegenargumente. Es handelt sich hierbei um Nutzungsbeschränkungen
oder Preisfestsetzungen für patentierte Güter, das Verbot der Verwendung von
Produkten von Konkurrenzfirmen, die Forderung fortgesetzter Lizenzzahlungen auch nach Ablauf der Lizenz beziehungsweise des Patents, die Beschränkung von Forschung und Entwicklung sowie Grant-Back-Klauseln. Einige Commonwealth-Länder haben nach britischem Vorbild Bestimmungen in ihr Patentrecht aufgenommen, wonach bestimmte wettbewerbsfeindliche Klau-seln in Lizenzverträgen automatisch null und nichtig sind. So erklärt zum Beispiel
das australische Patentgesetz von 1990 alle Auflagen für ungültig, die einen Li-
zenznehmer daran hindern sollen, Produkte oder Verfahren von Konkurrenten des Lizenzgebers zu kaufen oder zu nutzen, oder die ihn zur Abnahme von nicht
patentgeschützten Produkten zwingen, die der Lizenzgeber im Angebot hat. Dar-über hinaus untersagt das australische Gesetz über Handelspraktiken von 1974 fünf konkrete Praktiken: wettbewerbswidrige Abmachungen inklusive Preisab-
sprachen und Marktaufteilung, Missbrauch von Marktmacht, Ausschließlich-
keitsklauseln, Einzelhandelspreisbindung sowie Fusionen, die einen massiven Wettbewerbsverlust nach sich ziehen. All diesen Vorschriften zufolge sind die genannten Klauseln in Patentlizenzen per
se wettbewerbswidrig und werden damit automatisch als unrechtmäßig einge-stuft. Es ist daher im Einzelfall keine individuelle Überprüfung mehr nötig, ob die
jeweiligen Praktiken wettbewerbsschädlich sind.
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Entwicklungsländer sollten dem Beispiel der Industrieländer folgen und genau
festlegen, welche wettbewerbsschädlichen Auflagen in Lizenzverträgen von vorne herein null und nichtig sind. Wie die genannten Beispiele zeigen, verfügen Staa-ten über ausreichenden Spielraum festzulegen, welche Lizenzierungspraktiken als
wettbewerbswidrig zu bewerten sind. Diese Flexibilität sollte unbedingt verteidigt
werden. Laut Watal (2002, S. 307) ist jedoch nicht nur die wettbewerbsschädliche Beschaf-
fenheit vieler Lizenzverträge bedenklich. Manche Unternehmen sind überdies grundsätzlich nicht bereit zu einem Technologietransfer ohne wechselseitige Li-
zenzierung, von der aber Unternehmen in Entwicklungsländern oft ausgeschlos-
sen sind. Außerdem ist die Frage zu klären, ob die Weigerung eines
Patentinhabers, Lizenzen zu vergeben, ein Fall von Patentmissbrauch ist. Bei Rof-fe (1998) findet sich eine in dieser Hinsicht nützliche Darstellung, wie sich die
internationalen Verhandlungen in Bezug auf wettbewerbsschädliche Praktiken entwickelt haben, und was daraus für die Auslegung und Anwendung des TRIPS-Abkommens folgt. Es gibt im TRIPS-Abkommen weitere Bestimmungen, die sich mit Wettbewerbs-
fragen befassen. So enthält zum Beispiel Artikel 31 über die Nutzung von Paten-
ten ohne die Einwilligung des Patentinhabers einen Absatz (k) über
wettbewerbswidrige Praktiken. Erteilt ein Staat eine Zwangslizenz, um Abhilfe für
Praktiken zu schaffen, die er zuvor als wettbewerbswidrig eingestuft hat, dann braucht er folgende andere Vorschriften des Abkommens nicht mehr zu berück-
sichtigen: die Verpflichtung, vor der Erteilung einer Zwangslizenz Anstrengungen zum Erhalt einer freiwilligen Lizenz zu unternehmen (Absatz b), und die Nut-
zung der Zwangslizenz überwiegend nur für den heimischen Markt (Absatz f).
Weiter heißt es, im Fall einer Zwangslizenzierung „kann die Notwendigkeit der
Korrektur wettbewerbswidriger Praktiken bei der Festsetzung der Vergütung an den Patentinhaber berücksichtigt werden“ (Absatz k), das heißt der Staat kann
niedrigere Lizenzgebühren festsetzen, als der Patentinhaber sonst fordern würde. Behörden können auch die Beendigung einer Zwangslizenzierung ablehnen, wenn die Voraussetzungen andauern, die ursprünglich dazu geführt haben. Ent-
wicklungsländer sollten diese wettbewerbsförderlichen Bestimmungen in ihre nationale Gesetzgebung und Politik aufnehmen. Generell wäre es wichtig, dass Entwicklungsländer wettbewerbsförderliche
Grundsätze in ihren nationalen Systemen zum Schutz geistigen Eigentums veran-
kern. Sie sollten außerdem Regeln in ihr Wettbewerbsrecht aufnehmen, die wett-bewerbswidrige Praktiken in Lizenzverträgen grundsätzlich verbieten.
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7. Zusammenfassung
Die derzeitigen nationalen und internationalen Systeme zum Schutz geistigen Eigentums sollten in Hinblick auf einen Interessenausgleich überprüft werden,
damit die Förderung von Innovationen auf der einen Seite und das öffentliche Interesse und entwicklungspolitische Notwendigkeiten auf der anderen Seite dar-
in gleichermaßen Berücksichtigung finden. In den vergangenen Jahren hat sich das Gleichgewicht eindeutig zu weit in Rich-tung der Inhaber geistiger Eigentumsrechte verschoben. Dies gilt sowohl für in-ternationale Abkommen über geistige Eigentumsrechte als auch für die
nationalen Gesetze und die Patentvergabepraxis vieler Länder. Dies ist vor allem für die Entwicklungsländer bedenklich, da die spezifischen Be-
dingungen dort diese Länder besonders anfällig für negative Auswirkungen von
geistigen Eigentumsrechten machen. Die weltweite Harmonisierung von Gesetzen zum Schutz geistigen Eigentums –
insbesondere durch WTO, WIPO und bilaterale bezihungsweise regionale Ab-
kommen – und die daraus resultierende weltweite Anpassung an die Schutzstan-
dards der Industrieländer hat die Ungleichgewichte noch verschlimmert. Den Entwicklungsländern und ihren Unternehmen und Institutionen fällt es unter
diesen Bedingungen immer schwerer, ihre Konkurrenzfähigkeit zu behaupten. Daher ist eine Überprüfung des internationalen Regelwerks für den Schutz geisti-
gen Eigentums dringend notwendig, um die Ursachen der Ungleichgewichte fest-
zustellen und Abhilfe zu schaffen. Auch die nationalen Regelungen sollten
dahingehend überprüft werden, wie die durchaus vorhandenen politischen Spiel-
räume besser zu nutzen sind. Zugleich sollten alle weiteren Harmonisierungsbemühungen auf der internatio-nalen Ebene so gestaltet werden, dass sie einen Beitrag zur Wiederherstellung ei-
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Glossar zur deutschen Ausgabe
Rechte an geistigem Eigentum: umfassen Patente, Urheberrecht, Gebrauchsmus-
ter, Geschmacksmuster und Marken. Der Rechteinhaber erhält dabei das Recht zur exklusiven kommerziellen Verwertung seiner Idee (Erfindung, künstlerisches
Werk, Design, Markenname etc.). Kartell: der Zusammenschluss von Unternehmen mit dem Ziel der möglichst
weitgehenden Marktbeherrschung etwa durch Preisabsprachen. Anders als beim
Monopol bleiben die einzelnen Unternehmen rechtlich unabhängig. Lizenz/Lizenzierung: Der Inhaber eines Patents oder eines anderen geistigen Ei-
gentumsrechts kann Dritten die Nutzung des geschützten Guts erlauben. Dafür
wird er üblicherweise vom Lizenznehmer eine Gebühr verlangen. Monopol: eine Marktsituation, in der ein einziger Anbieter den gesamten Markt für ein bestimmtes Produkt beherrscht. Dieser muss dann bei seiner Preisgestal-tung nur noch die vorhandene Nachfrage berücksichtigen, nicht aber die Preise
der Konkurrenz. Parallelimporte: die Einfuhr eines patentierten Guts beziehungsweise eines Mar-kenprodukts aus einem Drittland, in dem es vom Hersteller zu einem niedrigeren
Preis angeboten wird. Patent: das zeitlich befristete Monopol auf die kommerzielle Nutzung einer tech-
nischen Erfindung, das nach Prüfung der Neuheit, der erfinderischen Leistung
und der gewerblichen Anwendbarkeit vom Patentamt erteilt wird. Patente auf Leben: Patente, die Rechte auf die Verwertung von Lebewesen, die
durch zumeist gentechnische Verfahren verändert wurden, oder von natürlich
vorkommenden Genen. Pflanzensorten/Sorten: durch Züchtung oder neuerdings auch Gentechnik herge-stellte neuartige Variation einer Kulturpflanze. In der Bundesrepublik erteilt das
Bundessortenamt als Voraussetzung der kommerziellen Nutzung die Sortenzulas-sung (bei der festgestellt wird, ob es sich bei der neuen Sorte um eine Verbesse-
rung handelt) und den Sortenschutz. TRIPS: Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Ei-gentum (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights). Das TRIPS-
Abkommen, das einer der Pfeiler der 1995 gegründeten Welthandelsorganisation
(WTO) ist, legt Mindeststandards für alle WTO-Mitgliedsstaaten für den Schutz geistigen Eigentums fest mit der Begründung, das Fehlen eines Mindestschutzes sei ein Hindernis für den freien Welthandel. Uruguay-Runde: Verhandlungsrunde des Allgemeinen Zoll- und Handelsab-
kommens (Gatt) 1986-94, die 1995 in die Gründung der Welthandelsorganisati-
on (WTO) mündete. Erst 1994 wurde das TRIPS-Abkommen in die Verhandlungen eingefügt. WIPO: World Intellectual Property Organization ist eine UN-Organisation zum Schutz von Rechten an geistigem Eigentum. Zwangslizenzierung: die Erteilung einer Lizenz durch die Regierung an heimische
Hersteller auch ohne Zustimmung des Patentinhabers.
European Journal of Echocardiography (2008) 9, 426–427doi:10.1093/ejechocard/jen022Cardiac complications in Whipple’s diseaseDepartment of Cardiology, Klinik Koesching, University Heidelberg, Krankenhausstr. 19, D-85092 Koesching, GermanyReceived 2 November 2007; accepted after revision 23 December 2007; online publish-ahead-of-print 30 March 2008Whipple’s disease or intestinal lipodys
Shelanti Function and Conference Venue Enquiries: Professional assistant – Vera Schoombee 263 Jean Avenue Centurion Website: www.shelantigarden.co.za “The Magic of Memories” Shelanti is located in the heart of Centurion with its Country Side atmosphere. Be assured of our personal attention to make your memorable event a trouble free day. We wil